Lebensmittel Zeitung 5.Juni 2009

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Verregnete Geschäfte

Wenn’s schüttet, geht Umsatz verloren. Wer auf ein Parkplatzdach verzichtet, kann Wetter-Zertifikate kaufen.

Es regnet in Strömen. Das erklärt auch, warum so wenige Kunden im Markt sind", so Björn Haste bereits Anfang Februar in seinem Web-Blog „shopblogger.de". Dabei stand dem Spar-Händler aus Bremen zu diesem Zeitpunkt das Schlimmste noch bevor. Bis zu 19 Regentage beschert der Februar laut zehnjähriger Wetterstatistik der Weser-Region. Auch der März brachte mehr Regen als das ersehnte sonnige Frühlingserwachen. Was die meisten einfach nur „ärgert", spürt der Handel sofort schmerzhaft in Euro und Cent. „Das hat die März-Umsätze gedrückt", bestätigt Com¬merzbank-Analyst Matthias Rubisch. Obwohl es zwei Verkaufstage mehr gab, sanken die Verkaufserlöse im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,5 Prozent.

Die Beispiele sind exemplarisch für eine Berechnung von Fachleuten, nach der mehr als 80 Prozent aller Geschäfte weltweit direkt oder indirekt vom Wetter abhängen. Wenn es regnet, bleiben vor und in Supermärkten die Parkplätze und Gänge leer. Der Umsatz sinkt nach Erfahrungen von SB-Warenhaus-Managern an manchen Tagen sogar um bis zu 30 Prozent. Der Verbraucher reduziert oder streckt seinen täglichen Bedarf. Bestimmte Güter werden an darauf folgenden Tage zwar nachge¬kauft. Verloren sind indes die begleitenden Impulskäufe, die laut verschiedener Untersuchungen, unter anderem des Florida Institute of Technology, bis zu 40 Prozent der im Supermarkt gekauften Waren ausmachen.

Der Umsatz eines größeren Verbrauchermarktes (ab 2500 Quadratmeter) beträgt rund 65000 Euro pro Tag (Nielsen). Ein durchschnittliches Outlet verzeichnet an einem Regentag bis zu 20000 Euro weniger Einnahmen - und nur ein Teil davon wird in den Folgetagen kompensiert.

Der Verlust lässt sich im Gegensatz zu Betriebsunterbrechungen bei Elementarschäden nicht versichern. Supermarktbetreiber greifen inzwischen zu einer im Grunde simplen Präventionsmaßnahme. Sie statten Parkplätze und Zuwege mit einer Überdachung aus. Die Kosten relativieren sich in der Gegenüberstellung zum Wagnis des Einnahmeausfalls. Ein Dach aus Acrylglas kostet zum Beispiel rund 220 Euro pro Quadratmeter, wobei die Investition über 20 Jahre abgeschrieben wird. Hinzu kommt, dass mehr Einkaufskomfort Kunden bindet und zusätzliche wirbt.

„Wir wissen aus unseren Service-Studien und Rating-Projekten, dass etwa Dreiviertel aller Verbraucher ein wetterunabhängiges Einkaufen für wichtig erachten", so Dr. Claus Deth-loff, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts ServiceRating in Köln.

Frequenzsteigernd

Stichprobe: An einem Regentag mit immer wieder heftigen Schauern in Tönisvorst am Niederrhein sind am Plus-Markt im Gewerbegebiet Höhenhöfe um elf Uhr vormittags von rund 100 Parkplätzen unter freiem Himmel gerade einmal sieben belegt. Am benachbarten Real Future-Store stehen auf etwa 100 überdachten Parkplätzen rund 90 Autos.

„Die Servicequalität ist für den Handel ein zunehmend wichtiger Aspekt", so Heinz Roelofsen, Geschäftsführer der Roda Germany GmbH in Kleve, einem Spezialbetrieb für Großflächenüberdachungen. Bei der Kalkulation stelle mancher Gebäudemanager verblüfft fest, wie schnell sich ein solches Projekt amortisiere.
Rein finanztechnisch gibt es aber noch eine ganz andere Möglichkeit, sich gegen wetterbedingte Umsatzausfälle abzusichern: Den Erwerb von so genannten Wetterderivaten. Anbieter sind Banken oder Versicherungen wie die Celsius Pro AG in Zürich oder die Münchener Rück beziehungsweise deren angeschlossenen Vertriebsorganisationen. Finanztechnisch betrachtet, sind Wetterderivate ein Optionsgeschäft. Sie können für verschiedene klimatologische Basiswerte struktu¬riert werden, zum Beispiel für Temperatur, Regen oder Schnee. Für zum Beispiel jeden verregneten Tag - ab einer bestimmten Regenmenge - garantiert der Emittent eine vorher festgelegte Entschädigung. Die Prämie richtet sich nach dem abgesicherten Umsatz.

Voraussetzung ist allerdings, dass ein Unternehmen genau weiß, wie sich bestimmte Wetterparameter auf seinen Umsatz auswirken. Anhand von Klimatabellen ermitteln lässt sich sodann anhand verschiedener Parameter ein individuelles Zertifikat konstruieren.

Regen-Zertifikate

Vom 1. Mai bis zum 31. Juli regnet es zum Beispiel in Düsseldorf an durchschnittlich 31 Tagen. Jeder Tag, an dem mehr als 5 Millimeter Regen fällt, könnte mit einer Ausgleichzahlung von 5000 Euro abgesichert werden. Ein „Rain-Day-Zertifikat", das diese Entschädigung ab dem 15. Regentag und maximal 50000 Euro garantiert, kostet rund 12000 Euro). Der Anbieter Celsius Pro AG bietet auf Ihrer Website eine Kalkulations-Software.

Ein großer Emittent steht nach eigenen Angaben mit zwei deutschen Filialisten in Gesprächen über den Einsatz von Wetterderivaten. Ansonsten nutzen hier zu Lande erst wenige, vor allem große Unternehmen der Energiewirtschaft, das Instrumentarium. In den USA sind Wetterderivate gängige Finanzinstrumente, die sogar an Börsen gehandelt werden. „Je bewusster sie sich ihrer Risken werden, desto mehr zählen auch kleinere und mittlere Unternehmen zu den Interessenten", so Mark Rüegg, CEO von Celsius Pro. 2005 haben sich zum Beispiel Wirte des Ok¬toberfestes in München vor regenbedingten Einnahmeausfällen geschützt. Eines der wenigen Unternehmen, die über einen verregneten Sommer frohlocken, ist die Beate Uhse AG. An „schlechten Tagen" boomt das Geschäft mit Online-Bestellungen.

Manfred Godek* lz 23-09
*Der Autor arbeitet als freier Journalist in Düsseldorf

Wetterderivate für den Handel

Rain Day:
Das Regentag Zertifikat zahlt einen definierten Betrag für jeden Tag, an dem die tägliche Niederschlagsmenge über einem festgelegten Wert liegt.

Heat Day:
Das Hitzetag Zertifikat zahlt einen definierten Betrag für jeden Tag, an dem die Tageshöchsttemperatur über einem festgelegten Wert liegt.

Rain Season:
Das Regensaison Zertifikat zahlt einen definierten Betrag für jeden Millimeter, wenn die kumulierte Niederschlagsmenge in einer bestimmten Periode einen festen Wert überschreitet.

Hot Season:
Das Heisse Saison Zertifikat zahlt einen durch Sie definierten Betrag für jedes Grad Celsius, wenn die kumulierten Differenzen der Tageshöchsttemperaturen und einem Referenzwert einen festgelegten Wert überschreitet.

Cold Season:
Das Kalte Saison Zertifikat zahlt einen durch den Kunden definierten Betrag für jedes Grad Celsius, wenn die kumulierten Differenzen eines Referenzwertes und die Tageshöchsttemperaturen einen festgelegten Wert überschreitet.

Quelle: Celsius Pro AG