Frankfurter allgemeine Zeitung 11.11.2003

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Durchsichtige Geschäfte

Tageslicht in Geschäftsräumen fördert den Umsatz

Von Heiz Roelofsen

"There is no architecture without light", bemerkte einst der Physiker J. M. Waldram. Tageslicht war schon immer eine entscheidende Grundlage der Baukunst. Seine Intensität läßt Design intensiver erleben - und es hebt die Stimmung. In der Architektur steht die Ästhetik zwar im Vordergrund, doch sie hat auch viele, vergleichsweise nüchterne, funktionale Aspekte. Und nicht zuletzt geht es um Technik und um Kosten.

Bei neuen Büro- und Geschäftsgebäuden ist der "Gläserne Himmel" heute geradezu ein Muß der Gestaltung. Viele Passagen und Einkaufszonen aus den 60er und 70er Jahren, die mit ihrer geschlossenen, fast gedrungenen Architektur eher an "Black Boxes" erinnerten, werden mit teilweise erheblichem Aufwand revitalisiert.

Tageslicht fördert den Umsatz. Der Handelskonzem WalMart erkannte das Mitte der 90er Jahre eher zufällig. In einem neuen Supermarkt wurden als Energiesparmaßnahme in einer Hälfte des Geschäfts Oberlichter eingebaut. Später stellte man überrascht fest, daß die Umsätze in dem Ladenteil mit Tageslicht signifikant höher waren als die in vergleichbaren Abteilungen mit künstlicher Beleuchtung.

In deutschen Baumärkten wurde das Phänomen genauer untersucht. Der Umsatz stieg um durchschnittlich 40 Prozent, wenn bei sonst gleicher Einrichtung und gleichem Sortiment die Geschäfte zusätzlich mit Oberlichtern ausgestattet waren. Die Erklärung liefert die Medizin: Der menschliche Körper schüttet das Gute-Laune-Hormon Serotonin aus, wenn es hell genug ist.

Betriebskosten senken

Gebäudemanager undUnternehmer reagieren auf einen anderen Wirkstoff. Sein Name lautet Betriebskostensenkung. Die ganztägige künstliche Beleuchtung einer Laden- oder Ausstellungsfläche von etwa 2000 Quadratmetern in einem geschlossenen Raum verbraucht Strom für rund 20.000 Euro pro Jahr. Unter Tageslicht lassen sich Produkte auch ohne Energieaufwand optimal präsentieren.

Stadtplaner favorisieren innerstädtische Shoppingareale, bei denen die Fußwege von den Parkplätzen oder den Haltepunkten öffentlicher Verkehrsmittel bis in die Geschäfte überdacht sind. Man will die Innenstädte attraktiver machen. Dafür sorgt ein Glasdach - nicht nur als optisches Highlight sondern auch als Schutz vor Wind und Wetter. Dazu zwei interessante Zahlenbeispiele aus dem Handel: Um bis zu 30 Prozent sinkt nach Erfahrungen von SB-Warenhaus-Managern der Umsatz an verregneten Tagen, wenn Parkplätze und Zugangswege unbedacht sind. Der Umsatz eines Verbrauchermarktes mit einer Verkaufsfläche zwischen 2500 und 5000 Quadratmetern beträgt rund 13 Euro pro Quadratmeter und Tag; das bedeutet ein Minus von 10 000 bis 20 000 Euro pro Regentag. Schon nach kurzer Zeit amortisiert sich eine entsprechende Investition. Ein größerer Gebrauchtwagenhandel spart gut bedacht pro Jahr eine fünfstellige Summe für die Wagenpflege.

Zum Vergleich: ein Quadratmeter Glasdach kostet zwischen 250 (Acryl) und 550 Euro (Echtglas). Nicht nur aus Kostengründen hat sich die Kunststoffvariante weitgehend durchgesetzt. Schweres und witterungsanfälliges Echtglas mit einem Gewicht von bis zu 30 Kilogramm pro Quadratmeter bedarf einer sehr aufwendigen Statik, was die gestalterischen Möglichkeiten einengt. Außerdem läßt es sich nur mit sehr hohem Aufwand bearbeiten.

Kunststoffglas mit einem Gewicht von nur sechs Kilogramm pro Quadratmeter dagegen ermöglicht fast schwebend wirkende Konstruktionen mit großen Spannweiten, die mit nur geringen Mehrkosten durch Rundungen, Kuppeln oder ähnliches aufgelockert werden können; Acryl ist leicht formbar. Der Stand der Technik ermöglicht sowohl eine dauerhafte UV-Licht-Resistenz als auch eine Einfärbung in beliebigen Tönungen. Als Tragwerk ist eine ebenso leichte wie wetterfeste Aluminiumkonstruktion geeignet.

Natürlich bedürfen Glasdächer der regelmäßigen Pflege. Sie müssen etwa alle zwei Jahre durch ein Gebäudereinigungsunternehmen gesäubert werden. Kosten pro Quadratmeter: zwei Euro. Sowohl die Investition als auch die Pflegekosten können fast vollständig kompensiert werden, wenn man einen Teil des Daches mit Fotovoltaikelementen ausstattet. Bei einer möglichen Sonnenenergieausnutzung von 60 Prozent zur Stromgewinnung ist bei gewerblichen Objekten nach spätestens zwei Dritteln der Abschreibungszeit von 20 Jahren der Break Even erreicht.