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Verhagelte Existenzen - Autohäuser im Wettlauf mit Umweltschäden

Die Wetter-Extreme nehmen zu. Golfballgroße Hagelkörner verursachen Millionenschäden - nicht nur an Gebäuden. Die so genannten „Knäckebrotautos" bringen manchen Betrieb an Rand des Ruins.

Einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe verursachte ein Hagelunwetter 2008 im VW-Werk Emden: Mehrere Tausend Neufahrzeuge wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ein Fall für die Versicherung. Die Prämienerhöhung hat der auch in finanzieller Hinsicht sturmerprobte Konzern locker verkraftet.

Mittelständler dagegen können durch ein solches überdimensionales Schadenereignis in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das zeigt der Fall eines süddeutschen Caravan-Herstellers, der gleich dreimal hintereinander von schwerem Hagel getroffen wurde; Schaden jeweils rund drei Millionen Euro. Der Versicherer reagierte zunächst mit einer drastischen Beitragserhöhung; nach dem zweiten Unglück hatten sich die Kosten der Police bereits verdoppelt. Nach dem Worstcase Teil III erfolgte per Änderungskündigung ein Ausschluss des Hagel-Risikos. Aufgrund des desaströsen Schadenverlaufs kam das Unternehmen allerdings auch bei keinem anderen Versicherungsunternehmen unter. Erst nachdem es sich zu Vorsorgemaßnahmen entschlossen und die Stellplätze im Freien mit großflächigen Überdachungen ausgestattet hatte, erhielt es wieder einen vollwertigen Schutz.
Wetter als unkalkulierbares Risiko
„Es gibt Regionen, in denen ein- oder mehrmaliger Hagel pro Jahr kein Zufall mehr ist", so Roland Schulz, Pressereferent der Nürnberger Versicherungsgruppe. Auffällig sei, dass Hagel inzwischen in Regionen auftrete, die bislang als „hagelfrei" galten, zitiert er Untersuchungen seines Hauses und spricht indirekt von einem unkalkulierbaren Risiko: „Die der Versicherungsmathematik zugrunde gelegte Wiederkehrperiode ist inzwischen in vielen Regionen und Gebieten außer Kraft gesetzt."
„Für den einzelnen Betrieb kann das weitreichende wirtschaftliche Folgen haben", so Anton Knitsch, Leiter des Bereich Kraftfahrtversicherungen der Funk-Gruppe, Hamburg, einem unabhängigen Versicherungsmakler. Als statistischer Richtwert für Hagelschäden an Pkw gelten 3000 Euro pro Ereignis.

Knäckebrotautos und Totalverluste
Aber auch regelrechte „Knäckebrotautos" - so der Branchenjargon für durch Hagel zerbeulte Blechkarossen - sind keine Seltenheit mehr. Bei Gebrauchtwagen heißt das schnell: Totalverlust. Bei Multi-Risk-Policen ist in der Regel ein Bonus-/Malus-System hinterlegt. Kommt es aufgrund einer hohen Schadenquote zur maximalen Rückstufung, ergibt sich schnell eine fünf- bis sechsstellige Beitragsdifferenz gegenüber einer Günstigerstufung allein im ersten Jahr. Solche Belastungen können sich über mehrere Jahre hinziehen. Bei einer konventionellen Kfz-Handel- und Kfz-Handwerkversicherung gibt es eine solche Automatik nicht. Hier wird der Vertrag wie im Fall des Caravan-Händlers individuell saniert. Die Folgen sind die gleichen. Drastische Mehrkosten.
Zum reinen Sachschaden kommen Wertminderungen, die trotz Reparatur an den Kfz verbleiben und zu Einbußen beim Verkauf führen sowie Einnahmeeinbußen, weil Leistungen nicht erbracht werden können. So werden Werkstatt-Kapazitäten für die Instandsetzung eigener Autos benötigt und stehen nicht für das laufende Geschäft zur Verfügung. Die Schadenmeldungen, die Begutachtung und das Controlling der Abwicklung erfordern einen erheblichen Verwaltungsaufwand.

Golfballgroße Hagelkörner
Umso wichtiger sei es, Kfz-Betriebe „durch Aufzeigen der monetären Vorteile zur präventiven Maßnahmen zu motivieren", so Experte Knitsch. „Präventionsmaßnahmen belohnen einige Versicherer nicht selten mit Beitragsvorteilen von 20 Prozent." Hagelnetze, die lange Zeit als probate und vor allem kostengünstige Lösung galten, bieten vor Hagelkörnern in Golfballgröße allerdings kaum noch einen wirksamen Schutz.
Großhändler gehen dazu über, die Neuwagen in Hochgaragen abzustellen; bei BLG Logistics in Bremen sind dies inzwischen 50 Prozent der Fahrzeuge. Händlern vor Ort empfehlen sich feste Überdachungen, zum Beispiel aus UV-stabilem und versprödungsfestem Acrylglas. Damit werden sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der Pflegeaufwand für die ausgestellten Fahrzeuge verringert sich und Kunden sind vor Wind und Wetter geschützt.
Vor allem nach den Sommer-Unwettern 2008 habe die Nachfrage von Kfz-Händlern stark zugenommen, so Heinz Roelofsen, Geschäftsführer der Roda Roelofsen GmbH in Kleve, einem Spezialisten für Großflächenüberdachungen. „Wenn etwas passiert, steigt das Interesse kurzfristig an, erlischt dann allerdings wieder sehr schnell." Dabei verschiebt sich das Problem immer nur um wenige Zentimeter auf der Landkarte.
Während Deutschland in 2009 von spektakulären Hagel-Großereignissen weitgehend verschont blieb, verzeichnete Österreich einen Rekord an Schadensmeldungen. Von Mai bis Mitte August hat es fast an jedem vierten Tag gehagelt. Die Versicherer haben bereits für 2010 eine Prämienerhöhung auf breiter Front angekündigt. Für Anbieter von Präventionstechnik sind dies wiederum gute Rahmenbedingungen. Roda Roelofsen hat angekündigt, seine Dächer - eine Konstruktion aus Acrylglas und Aluminium - ab 2010 auch in Österreich vertreiben zu wollen.
Langfristig öffnet sich die Kosten-Schere zwischen Nichtstun und aktivem Risikomanagement. Versicherungsbeiträge und schadenbedingter Mehraufwand belasten den Kostenblock. Sie fließen sofort in jegliche betriebswirtschaftliche Betrachtung ein und verschlechtern dadurch die Wettbewerbssituation. Investitionen für feste Überdachungen beziehungsweise in Gebäude sind zwar auch Aufwand, werden aber bilanziell anders gesehen und gewertet.

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Manfred Godeck