stores + shops 04/2008

 

Gut überdacht

Für den Kunden bedeutet es ein großes Plus an Service, wenn er seinen Einkäufen geschützt vor und unabhängig von Wettereinflüssen nachgehen kann. Das ist nicht nur in Shopping-Centern möglich. Auch der individuelle Einzelhandel kann Eingangsbereiche, Parkplatzzuwege und Ladezonen gezielt überdachen.

Zum Beispiel gibt es Möglichkeiten, Einkaufsstraßen zu überdachen. Dabei handelt es sich meist um Bürgersteigdächer, die sich auch für schmale Wege eignen. Vollüberdachungen von Fußgängerzonen findet man in Deutschland dagegen kaum; sie kommen nicht zuletzt wegen der angespannten Kommunalfinanzen selten oder nie über das Entwurfsstadium hinaus. Bei den realisierten Objekten dominieren individuelle Bedachungslösungen. Sie sollen vor allem die Eingangsbereiche, Parkplatzzuwege und Ladezonen einzelner Geschäfte schützen. Mehrere nebeneinander liegende Einzelhändler können so mit überdachten Verbindungswegen ein kleines „Center" realisieren.

Vor allem durch die Überdachung von Parkplätzen lässt sich der Einkaufskomfort spürbar erhöhen. Unschön, wenn dem Kunden bei strömendem Regen das Wasser in den Kragen läuft und die eingekaufte Ware ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei neuen Einzelhandelsobjekten ist heute oft zumindest die Überdachung von Eingängen und/oder Ladezonen obligatorisch.

Aber auch für die Nachrüstung bestehender Flächen lassen sich zweckmäßige Lösungen finden. Dabei sind die Erfordernisse einer modernen Handelsarchitektur zu beachten: Eine Überdachung muss eine offene, transparente Atmosphäre gewährleisten. Das ist nur mit transparenten Baustoffen möglich. Glas ist teuer und schwer: Pro Quadratmeter kostet Glas rund 450 Euro und wiegt etwa 30 Kilogramm. Daher ist auch die Statik aufwändig.

Eine Alternative bietet eine Dachkonstruktion aus Acryl. Ein Quadratmeter wiegt etwa ein Fünftel des Gewichts einer Echtglas-Konstruktion, der Preis beträgt etwa die Hälfte eines Glasdachs: rund 220 Euro pro Quadratmeter. Weil Acryl formbar ist, sind zum Beispiel für eine ästhetische Gestaltung Rundungen möglich. Des Weiteren kann Acryl mit nur geringen Mehrkosten in beliebigen Tönungen eingefärbt werden. Das geringe Gewicht ermöglicht fast schwebend wirkende Konstruktionen.

Auch qualitativ ist Acryl wettbewerbsfähig. Es hält zum Beispiel ständiger UV-Bestrahlung stand, auch nach Jahren setzt keine Vergilbung oder Verfärbung ein. Gleichzeitig erreicht Acryl mit 92 Prozent dieselbe Lichtdurchlässigkeit wie Echtglas.

„Nicht zuletzt unter dem Aspekt der Folgekosten eignet sich der Kunststoff hervorragend für den Außenbereich", sagt Heinz Roelofsen, Geschäftsführer der Roelofsen GmbH. Das Unternehmen aus Kleve überdacht pro Jahr rund 100.000 Quadratmeter, unter anderem Parkflächen an Großmärkten und Autohäusern, aber auch Tankstellen und Fußgängerzonen.

Das Tragwerk eines Acryldachs besteht meist aus einer wetterfesten Aluminium-Stahlkonstruktion. Deren Leichtigkeit erlaubt Spannweiten von bis zu 15 Metern ohne störende Pfeiler. Aluminium lässt sich zudem besonders gut - und langlebig - lackieren; entsprechend geringer ist der Instandhaltungsaufwand. Dem „natürlichen Feind" eines Dachs, dem Regenwasser, begegnet die Roelofsen GmbH mit einem patentierten Alu-Rinnensystem. Kunststoffdächer sollten etwa alle zwei Jahre durch ein Fachunternehmen gesäubert werden.Die Kosten pro Quadratmeter liegen bei rund zwei Euro.

In der Innenstadtgestaltung gehören großflächige Überdachungen sicherlich zu den aufwändigen Mitteln. Oft sind sie nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wie Pflasterungen oder der Einrichtung von Ruhezonen sinnvoll. Bei individuellen Lösungen an Einzelhandelsgeschäften überwiegt in der Regel der Nutzen den Aufwand. Sie machen den Einkauf komfortabler, den Standort attraktiver und dienen so der Kundenbindung.

Interview - Eine kundenfreundliche Lösung

Erich Kümper ist Geschäftsführer der Bührmann Weine GmbH im niederrheinischen Moers.

Das 1927 gegründete Weingroßhandelsunternehmen betreibt am Firmensitz auch einen 700 qm großen Wein-Einzelhandelsmarkt. Dessen Eingangsbereich wird von einem 250 qm großen Dach aus Acrylglas überspannt.

s+s: Was gab den Ausschlag für die Überdachung?

KÜMPER: Im Grunde handelte es sich um eine „Notwehrmaßnahme". Als wir vor sechs Jahren das Gebäude bezogen, war bereits ein Vordach vorhanden. Es bestand aus Blech, an dem der Zahn der Zeit schon kräftig genagt hatte. Das war ästhetisch unmöglich.

s+s: Warum überhaupt ein Dach?

KÜMPER: Es bedarf keiner Marktforschung, um darauf zu kommen. Wenn man beobachtet, wie sich Kunden im strömenden Regen mit ihrem Einkauf abmühen, dann ist die Konsequenz eigentlich klar. Für uns stand fest: Wenn wir ein neues Gebäude beziehen, dann gibt es dafür eine kundenfreundliche Lösung.

s+s: Warum haben Sie sich für die Kombination aus Acrylglas und Aluminium entschieden?

KÜMPER: Der Einkauf von Wein sollte ein emotionales Erlebnis sein. Das setzt eine einladende Gestaltung des Eingangsbereichs vor aus. Viel Licht gehört dazu. Die Acryl-Alumi-nium-Kombination ist im Übrigen sehr leicht und konnte auf die bestehende Unterkonstruktion montiert werden.

s+s: Sie haben 50 Parkplätze. Warum sind nur sechs davon überdacht?

KÜMPER: Sich an Stoßzeiten wie dem Samstagvormittag zu orientierten, wäre natürlich absoluter Luxus. Die Woche über stünden die Dächer vorwiegend ungenutzt da. Wir orientieren uns an einem Durchschnittswert von 150 Besuchern pro Tag. Jeder Einkauf dauert etwa 15 Minuten. In unserem Fall bieten sechs überdachte Parkplätze damit quantitativ ausreichenden Komfort.

s+s: Welche Folgekosten fallen an?

KÜMPER: Tatsächlich sind bisher keine entstanden. Das Dach haben wir seit 2002 nicht einmal reinigen müssen. Das hat der Regen erledigt.

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Thomas Godeck