Autohaus Spezial Bauen 11-2012

Eiskalte 110 km/h

Versicherungen empfehlen Überdachungen zur Vermeidung von Hagelschäden

Das Geschäft der Dellenzieher brummt. „Die haben gleich neben uns eine Halle gemietet und rund um die Uhr gearbeitet“, berichtet Jürgen Simon, Verkaufsleiter bei BMW Grötzinger in Öhringen. Im August hatten zentimetergroße Eiskugeln 120 PKWs demoliert. Schaden: rund 350.000 Euro.

Exponentieller Anstieg
„Lange Zeit galt Hagel als kalkulierbares Zufallsrisiko. Mittlerweile tritt er in immer kürzeren Abständen ein und das Schadenausmaß wird immer größer“, so Werner Storch, Abteilungsdirektor bei der Nürnberger Versicherungsgruppe. Die W&W Württembergische verzeichnete von 2010 auf 2011 eine Zunahme der Elementarereignisse von 5.000 auf 10.500. Im laufenden Jahr wurden bis August rund 7.500 registriert, 90 % davon waren Hagelschäden.
Mit 50 km/h prallt ein Hagelkorn von einem Zentimeter Durchmesser auf die Karosserie, bei fünf Zentimetern sind es 110 km/h. Bis zu zwei Zentimetern sind die Schäden moderat. Darüber steigen sie exponentiell an - bis zum Totalschaden. Am 5. Juli fielen zum Beispiel im Raum Feuchtwangen bis zu neun Zentimeter große Hagelbrocken vom Himmel.

Versicherungs-Konsequenzen
Die wirtschaftlichen Folgen können weitreichend sein, so Anton Knitsch, Leiter des Bereich Kraftfahrtversicherungen der Funk Gruppe, Hamburg, einem unabhängigen Versicherungsmakler. Bei Multi-Risk-Policen ist zum Beispiel in der Regel ein Bonus-Malus-System hinterlegt. Kommt es aufgrund einer hohen Schadenquote zur maximalen Rückstufung, ergibt sich schnell eine fünf- bis sechsstellige Beitragsdifferenz gegenüber einer Günstigerstufung - und dies allein im ersten Jahr. Hinzukommen Wertminderungen und Einnahmeeinbußen, weil die Werkstatt mit der Reparatur der eigenen Fahrzeuge ausgelastet ist, und ein hoher Verwaltungsaufwand.

Vorbeugen mit Überdachungen
„Möglichkeiten vorzubeugen gibt es beispielsweise durch feste Überdachungen – mit oder ohne Fotovoltaik, pavillonartige Konstruktionen oder Hagelschutznetze“, so Storch. ‚Gut bedachte‘ Betriebe profitieren von deutlichen Beitragsvorteilen, die laut Experte Knitsch bis zu 20 betragen. Eine wichtige Anforderung an eine Überdachung ist eine große Spannweite, denn die Fahrzeuge müssen problemlos rangiert werden können. Aus Gründen der Verkaufsförderung bedarf es zudem einer großzügigen, lichtbetonenden Architektur.
Viele Betriebe entscheiden sich inzwischen für eine Konstruktion aus Acrylglas und Aluminium. Diese hat die gleiche Lichtdurchlässigkeit wie Echtglas, allerdings nur ein Fünftel des Gewichts und kann bis zu 15 Meter ohne störende Pfeiler überbrücken. Mit ihnen lassen sich Sattel- und Gewölbedächer realisieren. Das sorgt nicht nur für optische Akzente, sondern auch für einen „günstigen“ Aufprallwinkel der Hagelkörner. Überdachungen reduzieren darüber hinaus den Pflegeaufwand, denn sie schützen die ausgestellten Fahrzeuge vor Verschmutzung.
Ein Acryldach kostet rund 220 Euro pro Quadratmeter. Echtglas liegt bei rund 550 Euro. „Zudem machen Händler, die über eine Außenüberdachung verfügen, erfahrungsgemäß um bis zu 15 % mehr Umsatz. Kunden können auch bei Wind und Wetter Fahrzeuge besichtigen“, so Heinz Roelofsen, Geschäftsführer der roda GmbH in Kleve, dem in Europa führenden Anbieter von großflächigen Dachsystemen. Denn auch normaler Regen „verhagelt“ das Geschäft – laut Wetterstatistik an immerhin 120 Tagen im Jahr.

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